Eine Facebook-Kampagne zum Erfolg bringen

14. September 2015   Mattes Sarcander  

Eine Facebook-Kampagne zum Erfolg bringen

In der letzten Woche wurde hier eine interaktive Visualisierung zum MV-Volksentscheid veröffentlicht. Eine gute Gelegenheit, um am Beispiel dieser konkreten App zu ergründen, wie allgemein für den Erfolg einer App-basierten Facebook-Kampagne gesorgt werden kann.

Kontext

In Mecklenburg-Vorpommern fand am 6. September 2015 ein Volksentscheid statt. Thema war die Rücknahme eines Gesetzes, aufgrund dessen viele Gerichte im Land schließen werden. 
Das Schwierige an diesem Thema war die unglückliche Kombination aus einem sperrigen Thema und unzähligen Negationen (die ursprüngliche Reform schließt Gerichte, der Volksentscheid will einen Gesetzentwurf, der gegen die Reform ist. Wer also Nein zum ursprünglichen Gesetz sagt, muss auf dem Stimmzettel ein "Ja" abgeben).
Thematisch hatten wir es also mit einer Situation zu tun, die klar von einer Visualisierung profitieren würde. Der Bevölkerung des Bundeslandes mussten die zur Wahl stehenden Optionen niederschwellig verständlich gemacht werden.

Eine App entwickeln

Damit wir bei der Vermittlung Erfolg haben, müssen wir in der Visualisierung wo immer möglich die Perspektive der Zielgruppe einnehmen. Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, was eigentlich das Kernanliegen ist, das wir vermitteln wollen.

Im Falle der Gerichtsreform war der zentrale Punkt die wegfallenden Amtsgerichte. Für die EinwohnerInnen erhöht sich dadurch zumeist die Entfernung zum für sie zuständigen Gericht tweilweise um ein Vielfaches.

Für die Visualisierung galt es also, diesen Aspekt zu veranschaulichen - und mit der Stimmabgabe beim Volksentscheid in Zusammenhang zu bringen.

Um diesen Kern-Zusammenhang herum wurde die Visualisierung konzipiert. Genau wie beim Stimmzettel des eigentlichen Volksentscheids gab es darum als zentrale Wahlmöglichkeit ebenfalls das "Ja" oder "Nein".

Das Wechseln zwischen diesen beiden Optionen veränderte die abgebildete Karte von Mecklenburg-Vorpommern. Während bei einem "Ja" die ursprüngliche Zahl der Amtsgerichte bestehen blieb, verschwinden die wegfallenden Gerichte nacheinander, sobald auf "Nein" geklickt wird.#

volksentscheid-app-wahl.gif

Damit haben wir den Effekt abgebildet, den eine Stimmabgabe für das Land hätte - aber der Bezug zum Leben der NutzerInnen fehlt noch.

Als zusätzliches interaktives Element gibt es deshalb die Möglichkeit, per Klick einen beliebigen Punkt auf der Karte, etwa den eigenen Wohnort, zu markieren. Die App sucht dann automatisch das nächstgelegene Gericht heraus und zeichnet den Abstand vom Wohnort auf der Karte ein.

volksentscheid-app-karte.jpg

Um diesen Vorgang möglichst realistisch abzubilden, verwaltet die App intern die korrekte Liste der genauen Bezirksgrenzen pro Amtsgericht. Dadurch sucht sie nur die Amtsgerichte heraus, die auch tatsächlich für den angegebenen Wohnort der NutzerInnen zuständig wären. Diese Komplexität ist notwendig, um in der App inhaltlich korrekt zu argumentieren. Nach außen sichtbar sollte sie aber nicht sein.

Wie immer weigert sich die Wirklichkeit aber auch hier beharrlich davor, in einfache Modelle gepresst zu werden: Einige Amtsgerichte werden in Mecklenburg-Vorpommern nicht komplett geschlossen, sondern nur zu Zweigstellen anderer Gerichte degradiert. Zweigstellen behandeln nur noch Teile ihres ursprünglichen Aufgabenfeldes. Manchmal übernehmen sie sogar Teile der Aufgaben der Hauptstelle. 

Damit die Visualisierung trotzdem korrekt bleibt, mussten diese Sonderfälle beachtet werden. Das ist zwar ein Mehraufwand, eröffnet gleichzeitig aber auch die Chance, einen weiteren Bezug zur Lebenswelt der NutzerInnen zu kreieren. 

Gelöst wurde dieser Aspekt mit der Auswahl-Möglichkeit konkreter Situationen, die die NutzerInnen zum Kontakt mit einem Amtsgericht bewegen könnten. Um zu verdeutlichen, dass Amtsgerichte für weit mehr als das Verteilen von Haftstrafen zuständig sind, wurden die Grundbucheinträge, Testamente, Bußgelder und Unterhaltspflichten als Themen ausgewählt.

volksentscheid-app-optionen.gif

Welche Wirkung hatte die App?

Auch eine gut funktionierende Visualisierung wird nicht automatisch zum Facebook-Selbstläufer. 

Bei einer Auftragsarbeit hätte ich empfohlen, neben der Erstellung der App selbst zusätzlich auch Werbekosten für eine schnelle Verbreitung zu budgetieren. Eine schnelle initiale Verbreitung erhöht die Wahrscheinlichkeit für Netzwerk-Effekte. Auf diese Weise würden wir die Zahl der Zielgruppen-Kontakte mit der App maximieren. 

Und das macht die Entwicklung einer speziellen App für ein Thema dann auch kosteneffizient: Die verhältnismäßig hohen Entwicklungskosten werden so auf sehr viele Zielgruppen-Kontakte verteilt, so dass die Kosten pro Kontakt deutlich unter denen klassischer Öffentlichkeitsarbeit liegen können.

Die App zum Volksentscheid entstand jedoch in reinem Ehrenamt. Ein Werbebudget gab es nicht. Auch unentgeltliche Techniken zur Verbreitung wurden praktisch nicht eingesetzt. Es wurde lediglich die Kampagnen-Seite der Volksentscheid-InitiatorInnen angeschrieben, die die App dann auch am selben Abend auf ihrer Seite teilte.

Leider war es zu diesem Zeitpunkt schon kurz vor 21 Uhr. Am nächsten Tag wurden auf der Kampagnen-Seite bis zur Mittagspause bereits 9 Beiträge veröffentlicht, so dass der Link zu App schnell nach unten rutschte.

Eigentlich müsste ich diese wahrhaft schlechte Öffentlichkeitsarbeit jetzt als beabsichtigtes Experiment verkaufen. Erfolgsstories verkaufen sich schließlich besser. Ehrlich gesagt war dieser Fehler aber einfach der knappen Zeit geschuldet. In Ermangelung weiterer Feierabend-Zeitfenster stand ich vor der Wahl, die App sofort zu publizieren - oder aber die Wahl zu verpassen.

Was ursprünglich nicht geplant war, liefert uns jetzt aber die Möglichkeit, die rein organischen Effekte einer solchen App ganz "unverfälscht" zu betrachten. 

Trotz der widrigen Umstände kann die App zum Volksentscheid nämlich durchaus als Erfolg gelten. Unter allen Link-Beiträgen der Kampagnen-Seite erzielte die App in der entscheidenden Woche die zweitbeste Anzahl an Teilungen. Knapp getoppt wurde sie nur von der ausführlichen Berichterstattung auf spiegel.de. Die Fotostrecke des Artikels enthielt dabei ebenfalls eine (teilweise animierte) Infografik. 

Entsprechend zahlreich vielen auch die BesucherInnen aus, die dem Link zur Visualisierung folgten (am 2. September wurde die App publiziert):

volksentscheid-app-nutzerzahlen.jpg

Es wurde deutlich, dass hochqualitative Beiträge zu einer Kampagne mit den vielen Besuchen und Facebook-Interaktionen belohnt werden. 

Gleichzeitig lässt sich dieser Effekt noch verstärken, wenn die Veröffentlichung einer Infografik, eines Spiels oder ähnlichem von angemessener Öffentlichkeitsarbeit begleitet wird.

Auffällig war übrigens die hohe Anzahl an BesucherInnen, die die App mit Smartphones oder Tablets aufriefen. Alle Mobilgeräte zusammengenommen haben fast zwei Drittel der BesucherInnen ausgemacht. 

volksentscheid-app-geraete.png

Diese starke Entwicklung hin zu Mobilgeräten ist auch in anderen Momenten zu beobachten, wenn Facebook die Hauptquelle der BesucherInnen darstellt. Menschen, die Facebook auf Desktop-Rechnern oder Notebooks nutzen, sind mittlerweile einfach in der Minderheit. Bei BesucherInnen aus anderen Quellen habe ich den gleichen Trend festgestellt, dann aber in deutlich geringerer Ausprägung. Bei der Entwicklung von Web-Apps muss auch im politisch-bildenden Bereich Priorität auf die mobile Benutzbarkeit gelegt werden.

Fazit: Apps als Kern-Feature funktionieren.

Besondere interaktive Visualisierungen und ähnliche hochqualitative Inhalte können gut als zentrale Bestandteile einer Online-Kampagne genutzt werden.

Sie können auf diese Weise komplizierte Sachverhalte einfach verständlich kommunizieren. Das ist gerade bei politischen Inhalten äußerst wichtig.

Gleichzeitig liefern Sie mit solchen Features Ihren Fans einen Grund, Ihre Inhalte zu teilen. Viele SympathisantInnen unter den Fans werden Ihre Kampagne interessiert verfolgen, Fotos und Text-Beiträge mit "Gefällt mir" markieren usw. Wir müssen Ihnen aber einen Grund geben, die Kampagne auch zu teilen, denn nur so erreichen wir größere Teile der Öffentlichkeit.

Eine animierte Infografik oder gar eine kleine, interaktive Simulation des Kernthemas können diesen Grund bieten.

Stellen Sie sich einmal einen konkreten, an der Kampagne interessierten Fan vor. Diese Person hat vielleicht durchaus den Wunsch, das Thema an den eigenen Facebook-Freundeskreis zu verteilen. Ein einzelnes, aus dem Zusammenhang gerissenes Foto einer Veranstaltung oder ein kurzes Status-Update in Textform werden aber niemanden überzeugen. Also belässt diese Person es beim "Gefällt mir"-Drücken - und teilt nicht.

Alternativ gibt es nun die Quintessenz der Kampagnen-Aussage direkt als Beitrag angeheftet an den Kopf der Facebook-Seite. Dieser Inhalt wird auch ohne Kontext intuitiv verständlich sein. Unser fiktiver Fan muss sich beim Teilen nicht noch selbst einen Text ausdenken, denn die App spricht für sich. Die Wahrscheinlichkeit für eine Teilung ist entsprechend hoch - und damit unsere Chance, unser Anliegen auch vor die Augen des Freundeskreises dieses Fans zu bringen.

Ein guter, niederschwelliger, auch ohne Kontext selbsterklärender Inhalt ist ein teilenswerter Inhalt.

Was sollten Sie bei Ihrer nächsten Kampagne beachten

Auch im Online-Bereich ist es wichtig, rechtzeitig mit der Planung einer Kampagne zu beginnen. Das klingt zunächst einfach nach zusätzlicher Arbeit, aber die erzielbaren Effekte wachsen dabei ebenfalls. Genügend zeitliche Freiräume ermöglichen nämlich, die Veröffentlichung besonderer Features auf Facebook und Co. mit passenden organischen und bezahlten Maßnahmen zu begleiten, die die Sichtbarkeit dieser Features erhöhen.

Mit einer guten, das Thema vermittelnden App liefern Sie sympathisierenden Personen einen Grund, Ihre Kampagne zu teilen. Nun müssen aber auch alle in Frage kommenden Personen erfahren, dass es diese Kampagne gibt.

Wir müssen dafür sorgen, dass unsere App recht schnell recht weit auf Facebook verbreitet wird. Dann können wir auf Netzwerkeffekte hoffen, die zu immer weiteren Teilungen führen.

Ein Beispiel: Ihre hypothetische Kampagnen-Seite hat zum Start vielleicht 100 Fans. Die Wahrscheinlichkeit, das irgendeine Person einen Beitrag teilt, legen wir der Einfachheit halber mit einem Prozent fest. Von den 100 Fans wird also wahrscheinlich 1 einziger Fan unseren Beitrag an die eigene Chronik teilen. Auch in dieser Chronik gilt wieder: Nur 1% derjenigen, die Facebook-FreundInnen dieses Fans sind, werden den Beitrag weiter teilen. Keine guten Aussichten für eine Kettenreaktion. 

Wenn wir aber gleich zu Beginn 10 mal so viele Personen auch über den bestenden Fan-Kreis hinaus erreichen, haben wir auch 10 mal so viele Chancen auf initiales Teilen unserer App. Dann können wir davon ausgehen, dass die Teilungs-Kette nicht gleich nach einem oder zwei Gliedern zerbricht, sondern der Beitrag zumindest in einigen Fällen in immer neue soziale Kreise weitergeteilt wird. 

Mit Sicherheit voraussagen können wir einen solchen Netzwerkeffekt nicht. Wir haben aber durchaus einige Möglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit dafür zu maximieren.

App auf der Seite integrieren. Zunächst müssen wir sicherstellen, dass unser Inhalt auch wirklich gefunden wird. Ein einmaliges Teilen wäre eine verschenkte Chance. Stattdessen sollte die App als eigener Reiter integriert und/oder als fixierter Beitrag hervorgehoben werden. Auf diese Weise bleibt sie trotz aktuellerer Beiträge immer sichtbar.

Zielgruppen durch Werbung erreichen. Die Personen, die bereits Fans unserer Seite sind, können wir leicht mit einem organischen Beitrag erreichen. Aber die Zielgruppe der Kampagne ist sicher weit größer als die Zahl der Seitenfans. Die Nicht-Fans in Ihrer Zielgruppe können Sie mit Facebook-Werbung erreichen. 

Zur Einengung der Facebook-NutzerInnen auf potentielle SympathisantInnen stehen Ihnen mehrere Optionen zur Verfügung. Idealerweise pflegt Ihre Organisation bereits eine Webseite. Voraussetzung ist, dass Sie auf der Webseite einen Facebook Tracking Pixel installieren. Ist das der Fall, dann können Sie anschließend Ihren Beitrag oder App-Reiter so bewerben, dass er in der Facebook-Chronik Ihrer Webseiten-BesucherInnen angezeigt wird.

Falls Sie den Facebook Tracking Pixel einsetzen, dann eröffnet sich Ihnen zusätzlich noch eine weitere Möglichkeit: Die Lookalike Audiences. Hier nimmt Facebook das durchschnittliche Profil Ihrer Webseiten-NutzerInnen, und wählt nun aus anderen Facebook-NutzerInnen diejenigen heraus, die auch diesem Profil entsprechen. Wenn die Inhalte Ihrer Webseite auch den Interessen Ihrer Zielgruppe entsprechen, dann sind Lookalike Audiences eine sehr effektive Methode, diese Zielgruppe auch auf Facebook zu erreichen.

Stehen Ihnen diese Custom Audiences nicht zur Verfügung, dann bleibt noch immer die Möglichkeit, Ihre Zielgruppe über ihre Interessen zu definieren. Das ist Facebooks klassischer Weg, NutzerInnen für eine Werbeanzeige auszuwählen. Insbesondere bei Themen mit lokalem Bezug können Sie auch hier gute Erfolge erzielen.

Allgemein gilt: Gekaufte Reichweite führt schnell zu spürbaren Ergebnissen. Und sie funktioniert auch für Non-Profits. Allerdings kostet sie natürlich zusätzlich Geld. Voraussetzung ist außerdem, dass Sie eine klare Vorstellung von Ihrer Zielgruppe haben. Nur dann können Sie diese Zielgruppe nämlich auch präzise ansprechen, und vermeiden unnötige Einblendungen bei Personen, die das Thema gar nicht interessiert.

Partnerseiten engagieren. Neben der gekauften Reichweite gibt es auch auf organischem Wege noch einige Möglichkeiten, die Sie ausschöpfen können, um Ihre Online-Kampagne schnell ins Rollen zu bringen. Partnerseiten sind eine Form.

Ihr Thema spricht eine ganz bestimmte Nische an. Und die Seiten Ihrer Organisation und ggf. Ihrer Kampagne werden nicht die einzigen Facebook-Auftritte sein, die sich diesem Thema widmen. Recherchieren Sie also rechtzeitig mögliche andere Seiten mit demselben oder einem nah verwandten Anliegen, und sprechen Sie deren BetreiberInnen an. Bestimmt werden Sie so einige Seiten finden, die beim Startschuss Ihrer Kampagne Ihren Haupt-Inhalt auf der eigenen Seite teilen. Dieses Vorgehen klappt besser, wenn Sie damit schon anlass-unabhängig beginnen und eine gleichwertige Partnerschaft anstreben, also auch selbst ab und an passende Inhalte der anderen Seite teilen.

Zum richtigen Zeitpunkt veröffentlichen. Ein geeigneter Zeitpunkt erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, schnell eine größere Zahl an Interaktionen generieren zu können, bevor Ihr Beitrag schon von aktuelleren Inhalten aus den Chroniken verdrängt wird. Idealerweise sollten Sie daher schon vor der Veröffentlichung wissen, wann Ihre Zielgruppe am stärksten auf Ihre Inhalte reagiert. Haben Sie diesen Luxus nicht, dann müssen Sie mehr oder weniger raten. Wenn Sie bei Ihren SympathisantInnen hauptsächlich berufliches Interesse vermuten, dann sollten Sie am frühen Morgen veröffentlichen. Bei hauptsächlich privatem Interesse können Sie einen Zeitpunkt um 19 Uhr herum ins Auge fassen. 

Viel Erfolg!

Auch bei Facebook gilt: gute Inhalte allein sind noch kein Garant für hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Belassen Sie es deshalb nicht bei einer gelungenen App, sondern planen Sie von Beginn an auch Zeit und Geld für begleitende Öffentlichkeitsarbeit ein. So erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit für die Vermittlung Ihres Anliegens wesentlich.

Viel Erfolg!

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